KLEINE MUCK VON BONN
10. Oktober 2021
DON BOSCO JUGENDWERK BAMBERG
11. Mai 2021
"Mit 36 Kindern und Jugendlichen machten wir uns auf den Weg"

DON BOSCO JUGENDWERK BAMBERG

Unser Jakobsweg: von Berlin nach Leipzig
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INFOS

EINRICHTUNG
Don Bosco Jugendwerk Bamberg

TEILNEHMERKREIS
36 Kinder und Jugendliche von 8 – 21 Jahren
16 Gruppenmitarbeiterinnen und- mitarbeiter
8 Orgateam

DATUM
04.08. bis 12.08.2021

LAND
Deutschland

STRECKE
Berlin - Sputendorf - Beelitz - Treuenbritzen – Lutherstadt Wittenberg - Bergwitz – Bad Düben - Krostitz - Leipzig

KILOMETER
ca. 190 KM

FORTBEWEGUNGSART
zu Fuß

 

UNSER CREDO

Pilgern ist, wenn schmerzende Füße vergessen werden, weil schmerzende Seelen heilen.
 
 
 

UNSERE ERFAHRUNG

Pilgern nach Egal-Wo – ein Erfahrungsbericht über eine Jugendfreizeit, die Spuren hinterlässt

Pilgerreisen sind spirituelle Odysseen der Suche, der Ruhe, der Erkenntnis, des Aufbruchs in fremde Territorien zur Findung der eigenen Identität. Aber was passiert, wenn diese individuelle Erfahrung der Selbstreflexion mit 40 Kindern und Jugendlichen der stationären Jugendhilfe kombiniert und angegangen wird? Sind diese Welten überhaupt vereinbar?

Das Don Bosco Jugendwerk Bamberg beweist seit nun vier Jahren, dass solch eine Unternehmung nicht nur möglich ist, sondern ein Gewinn für alle Teilnehmer:innen. Doch wie funktioniert das? Wie verläuft die gewagte Unternehmung und welchen pädagogischen Mehrwert bietet sie? Eigentlich beginnt die Pilgerfreizeit wie ein Urlaub: Tasche packen, Autos vollräumen, bei lauter Musik und schiefem Gesang weg aus der Heimat fahren und dort das eigene Lager aufschlagen. Doch, im Stile Bill Murrays, wiederholt sich das Aufbruchsprozedere täglich, schließlich folgt man dem Jakobsweg, im Jahr 2021 der Via Imperii von Berlin nach Leipzig. Also werden alle 24 Stunden 40 Zelte, vier Pavillons und zwölf Biertischgarnituren abgebaut, weitergefahren und wieder hingestellt. Dazu kommen Gepäck von 60 Leuten, Küchenausrüstung und alle möglichen pädagogischen Gegenstände (außer einer Feuerschale). Soweit der organisatorische Teil, das Hauptaugenmerk liegt aber auf der Laufstrecke. Zwischen 15 und 43 Kilometer ging es dieses Jahr pro Tag, vom Brandenburger Tor, vorbei an den Seen Brandenburgs und über Luthers Wittenberg sowie die Dübener Heide ins kulturell-alternative Connewitz im Leipziger Süden. Körperlich kommen also alle auf ihre Kosten. Doch richtig entscheidend sind die psycho-emotionalen Grenzmomente. Das Weinen am Straßenrand; das Verweigern, nur auch noch einen Schritt zu laufen; das Fluchen in die leise Natur hinein; und schließlich das Lächeln beim Zieleinlauf durch die Laola-Welle, selbst wenn die letzten Tränen noch auf den Wangen glitzern.

Als zentrales Ziel formuliert das Don Bosco Jugendwerk Bamberg es, jungen Menschen Mut zu machen, ihre eigenen und individuellen Stärken und Fähigkeiten zu entdecken und entwickeln. Lernprozesse sollen angestoßen werden, damit die Kinder und Jugendlichen ihrer schwierigen sozialen oder gar existenziellen Situation entwachsen können. Um Wachstum zu fördern, benötigt es Impulse, die den sich Entwickelnden einen Schritt aus ihrer individuellen Komfortzone in die Lernzone erlauben. Welch bessere Gelegenheit als eine zehntägige, laufintensive Freizeit in der Natur kann es dafür bloß geben? Kinder, die ein Leben voller Hindernisse gewohnt sind, erfahren Unterstützung im gemeinsamen Kampf. Und sie erleben Erfolge, erreichen wortwörtlich ihr Ziel, angetrieben durch die Kraft der Gruppe. Beim Pilgern steht ein starkes Gemeinschaftsgefühl im Vordergrund. Unter den Bewohner:innen der Wohngruppen entstehen freundschaftliche Bänder, die selbst dann halten, wenn man sich bis zum nächsten Jahr nicht mehr sieht. Und die Bindung zu den teilnehmenden Betreuer:innen erreicht durch das Da-Sein in und Durchqueren von Ausnahmesituationen ein ganz neues Level. Ob es dem erst frisch eingezogenen Bewohner ermöglicht, andere Jugendliche innerhalb der Einrichtung kennenzulernen, ob die ruhige Teenagerin mit Angststörungen stolz von ihren Lauferlebnissen erzählt, oder ob der stark impulsive Außenseiter durch positives Feedback von Gleichaltrigen seinen Selbstwert steigert - Pilgern schafft für alle die Chance, das eigene Potential zu erkennen und einen neuen Teil davon auszuschöpfen. Aufbrechen, 200 Kilometer Laufen und als größerer Mensch zurückkehren - eine Reise mit Auswirkungen. Pilgern ist, wenn schmerzende Füße vergessen werden, weil schmerzende Seelen heilen.

Pilgern ist, wenn Menschen trotz fettigem Haar und Schweißflecken schön sind und Schönes tun. Pilgern ist, wenn Fremde einem Tür und Tor öffnen, um eine wichtige und richtige Aktion zu unterstützen. Pilgern ist, wenn die Polizei am Brandenburger Tor steht, obwohl keine Demo stattfindet, und den Kids ihre Ausrüstung zeigt. Pilgern ist, wenn Betreuer:innen und Kids gemeinsam Weinen, Fluchen und an ihre körperlichen wie psychischen Grenzen kommen, nur um sich später lachend in den Armen zu liegen.

Pilgern ist, wenn das Smartphone in der Hosentasche bleibt, weil der Pater beim Laufen erklärt, wie Glaube in schwierigen Momenten Kraft spenden kann. Pilgern ist, wenn Jugendliche mit internalisierenden Störungsbildern am Abschlussabend die Tanzfläche mit dem Rest stürmen, weil das Gemeinschaftsgefühl stärker wirkt als ihre eigene Krankheit.

Pilgern ist, wenn trotz aufgeregter Anspannung alle ganz ruhig werden, um den morgendlichen Impuls zu genießen. Pilgern ist, wenn zwei Vegetarier 200 Burgerpatties braten, weil die Läufer:innen sich nach 43 Kilometern ein geiles Abendessen verdient haben. Pilgern ist, wenn der geplante Weg durch Frankreich pandemiebegingt unmöglich wurde, und trotzdem entlang der B2 „Pilgern nach Santiago“-Sprechchöre ertönen. Pilgern ist die volle Bandbreite. Pilgern ist Wachsen, ist Gemeinschaft, ist Entwicklung. Pilgern ist Don Bosco.
 
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